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Unbequem und ungebrochen, mit seismografischem Gespür und hartnäckigem Engagement: Umweltminister Axel Vogel würdigt Naturschützer und Umweltaktivisten Ernst Pries

- Erschienen am 05.05.2022

Potsdam- Umweltminister Axel Vogel würdigt den am 25. April verstorbenen und heute beigesetzten Umweltaktivisten Ernst Pries als einen mutigen Umweltaktivisten der DDR und einen wichtigen Repräsentanten des Naturschutzes in Brandenburg.

Umweltminister Axel Vogel:

„Die Uckermark muss zu DDR-Zeiten eine Art Mekka für Naturschützer gewesen sein. Jedenfalls brachte sie eine Reihe von Persönlichkeiten hervor, die in der Nachwendezeit gewissermaßen die Vätergeneration des ehrenamtlichen und sogar staatlichen Naturschutzes in Brandenburg repräsentierten. Sie bildeten eine eigene Spezie, die gegenüber Partei und Staat kein Blatt vor den Mund nahm, wenn es um Natur und Umwelt ging.

Einer dieser Unbequemen war Ernst Pries, am 28. März 1933 im Forsthaus Ichlim am Rand der Prignitz geboren. Wie in vielen Forstfamilien wählte auch er einen forstlichen Beruf, der aber nicht einfach Förster hieß, sondern Forstingenieur. Der Versuch, sich dem Wehrdienst durch Flucht in den Westen zu entziehen, führte 1961 zu einer mehrmonatigen Haftstrafe.

Ungebrochen zurückgekehrt in sein Forstamt startete Ernst Pries immer neue Aktionen zum Schutz von Umwelt und Natur in seiner neuen Uckermärker Heimat, damals noch Bezirk Neubrandenburg. Mit seiner Frau Monika wurde er zum europaweit beachteten Pionier des Eisvogelschutzes in der DDR und ab 1971 Chefberinger, unter dessen Aufsicht tausende von Vögeln beringt wurden.

So entwickelte Pries auf Grundlage seiner wissenschaftlichen Naturraumkartierung ein Konzept zum Schutz der Waldmoore im waldreichen Altkreis Templin. Auf seine Initiative hin wurden 1981 650 Hektar per Kreistagsbeschluss unter Schutz gestellt und bis 1985 etwa tausend Hektar Feuchtgebiete im Kreis gesichert.

Mit der Aufdeckung und Anprangerung der Auswirkungen einer rücksichtslosen Ausbeutung der Umwelt durch die industrialisierte DDR-Landwirtschaft geriet Pries in das Blickfeld der Staatssicherheit. In der friedlichen Revolution wurde er Mitglied einer Untersuchungskommission zur Aufdeckung von Korruption und Amtsmissbrauch im Altkreis Templin und später Vorsitzender des Umweltausschusses des Kreistags Uckermark.

Er kannte seine westuckermärkische Natur genau und hatte ein seismografisches Gespür, wenn sich Fehlentwicklungen anzeigten oder Rückschläge drohten.

Ernst Pries entwickelte das wissenschaftliche Konzept für die Ausweisung des Biosphärenreservats Schorfheide-Chorin im Rahmen des DDR-Nationalparkprogramms und arbeitete aktiv an dessen Ausgestaltung mit. Als es dann im neuen Bundesland Brandenburg gegründet wurde, standen andere im Rampenlicht. Als Vater der vielen Schutzgebiete in Ostdeutschland und gerade in Brandenburg gilt weithin der Moorexperte Prof. Michael Succow. Aber ohne Ernst Pries hätte es das Biosphärenreservat Schorfheide-Chorin nie gegeben.

Dass es in seiner Uckermark noch einmal Gülle-Hotspots wie zu DDR-Zeiten geben sollte, hatte er sich nach der Wiedervereinigung nicht vorstellen können. Und so stand er in den Reihen jener, die gegen die Wiederaufnahme der industriellen Schweinemast in Haßleben kämpften. Als ausgebildeter Standorterkunder, also Kartierer, der ökologischen Potenziale eines Standorts war der Schutz des Bodens als Lebensgrundlage und Quelle für Nahrungsmittel ihm ein zentrales Anliegen.

Besonders in den 1990er Jahren kritisierte er vehement die großflächige Privatisierung von Wald und landwirtschaftlichen Flächen. Im Rundfunk Berlin-Brandenburg – damals noch ORB – traute er sich zu sagen: „Dieser Besitz entstammt überholten feudalen Strukturen und widerspricht zutiefst unserem heutigen sozialen Rechtsempfinden.“ Er war eben kein Mann der leisen Worte. Seine Parteinahme galt der Natur seiner Heimat.

Wer zuspitzt, macht sich nicht immer nur Freunde. Zuspitzungen können auch Denkanstöße sein und Denkanstöße können zu Veränderungen führen, so war sein Hoffen und Streben.

Seit 1994 aus gesundheitlichen Gründen in Rente, gönnte er sich eine freie Meinung und war vielleicht tatsächlich unabhängiger als andere, die noch in Amt und Würden wirkten. Bis zuletzt gehörte er als aktives Mitglied dem Kuratorium des Naturparks Uckermärkische Seen auf Vorschlag des NABU an.

Pries war in der Sache immer hart und hartnäckig, aber nie persönlich. Man konnte sich vortrefflich mit ihm streiten. Aber er nahm es einem nicht krumm, wenn man sich nicht vollends überzeugen ließ. Mit seinem bemerkenswerten Humor in jeder Situation hat er immer versucht, dem Ganzen die Spitze zu nehmen.

Am 25. April 2022 ist Ernst Pries verstorben. Die Trauerfeier fand am 4. Mai in Templin statt, der kleinen Stadt in der Schorfheide, mit der sich sein Leben verbindet. Seine letzte Ruhestätte findet er im mecklenburgischen Lüdershagen im Landkreis Rostock-Land.

Brandenburg hat eine beeindruckende Persönlichkeit, die den ehrenamtlichen Naturschutz lange mitgeprägt hat, verloren, einen Forstmann und Bodenschützer, eine norddeutsche Kiefer, tief verwurzelt im Erdreich der Uckermark.“